Jeder Mensch tickt anders. Aber immer ist der Taktgeber derselbe: das Licht. Seine elektromagnetische Welle ist für uns so elementar wie Wasser und Nahrung. Es kann für besseren Schlaf und höhere Konzentrations- und Lernfähigkeiten sorgen. Es ersetzt Tabletten bei Rückenschmerzen, verjüngt die Haut und entfernt Körperbehaarung. Im menschlichen Körper setzt Licht sehr unterschiedliche Prozesse in Gang.
Jeden Tag läuft im menschlichen Körper das gleiche Programm ab. Unsere innere Uhr steuert unsere Schlaf- und Wachphasen, aber auch Herzfrequenz, Blutdruck und Stimmung. Jede Zelle und jedes Organ hat einen eigenen Rhythmus, der regelmäßig mit der Außenwelt synchronisiert werden muss. Der Mensch orientiert sich dazu vor allem an Tag und Nacht und damit am Licht, das eine biologische Wirkung auf alle Lebewesen hat.
Wie wirkt Licht im menschlichen Körper?
Wir nehmen Licht über die Haut und über das Auge auf. Aus dem UV-Licht bildet unsere Haut Vitamin D, das vor allem für die Knochen und unser Immunsystem wichtig ist. Erst im Jahr 2002 entdeckten Wissenschaftler in den Ganglienzellen unseres Auges neben Zapfen und Stäbchen einen dritten Photorezeptor. Die Überraschung: Der Rezeptor erzeugt kein Bild im Gehirn, sondern löst Stoffwechsel- und Hormonreaktionen aus. Er trägt deshalb den Fachnamen NIF (Non-Image Forming). Mit der Dämmerung schüttet die Zirbeldrüse, ein kirschkerngroßes Nervenbündel im Gehirn, Melatonin aus. Der Mensch fühlt sich schläfrig. Wenn aber Licht, insbesondere mit hohem Blauanteil, auf den NIF-Rezeptor trifft, dann regt dieser die Ausschüttung von Glücks- bzw. Stresshormonen an. Serotonin und Cortisol senken den Melatoninspiegel und bringen den Körper auf Touren. Diesen Kreislauf nennen Biologen und Mediziner den circadianen Rhythmus. Wird er gestört, wie zum Beispiel durch Schichtarbeit, bringt das den Hormonhaushalt durcheinander.
Licht und Gesundheit
Studien belegen: „Patienten, die mehr Sonnenlicht erhalten, erfahren weniger Stress und benötigen geringere Mengen an Medikation“ – künstliches Licht kann ähnliche Effekte erzeugen[1]: Im Deutschen Herzzentrum in Berlin wurde eine dynamische Tageslichtbeleuchtung installiert, die den Verlauf der Sonne, den natürlichen Tageslichtverlauf nachahmt. Eine Studie mit dem Maastricht University Medical Center hat die Wirkung dieser Technologie untersucht: Die Patienten schlafen schneller ein, die Schlafdauer erhöht sich, es gibt weniger Anzeichen für Depressionen. Die schlafunterstützende Wirkung des Systemswird derzeit auch für den Einsatz bei der Behandlung von Demenzkranken getestet. Gerade diese Patienten leiden in besonderem Maße unter unregelmäßigem Schlaf, sie bleiben nachts oft wach oder schlafen tagsüber. Das belastet den Körper und stellt auch das Stationspersonal vor Herausforderungen.
Die Berliner Charité erforscht unter dem Stichwort „Parametrische (T)Raumgestaltung“ die biologische und psychologische Wirkung von Licht auf Patienten in besonders kritischem Gesundheitszustand. Denn Studien ergaben, dass fehlendes Tageslicht bei Schwerkranken schockartige Zustände begünstigen[2] können. Die Charité hat deshalb zwei Räume ihrer Intensivstation mit großformatigen LED-Screens (Luminous Lighting) ausgestattet: Die rund sieben Meter langen und über zwei Meter breiten Screens können erstmals Tageslicht simulieren und gleichzeitig beruhigende mediale Inhalte abspielen. Beleuchtungsstärken von über 20.000 Lux ähneln dem Licht unter einem freien Sommerhimmel, beruhigen und nehmen Ängste. Jeder Patient erhält außerdem eine individuell auf seine Vitaldaten abgestimmte Licht- und Stimmungssituation.
Philips installierte dazu ein dynamisches Beleuchtungssystem, bei dem die Lehrer per Fernbedienung die Beleuchtungsstärke und die Farbtemperatur dem jeweiligen Unterrichtsschwerpunkt anpassen konnten. Das Resultat: Die Lesegeschwindigkeit der Schülerinnen und Schüler stieg bei dynamischem Licht um 35 Prozent, bei Konzentrationstests reduzierte sich die Fehlerhäufigkeit um 45 Prozent.
Licht wirkt wie ein natürliches Schmerzmittel
„Lesen“.
Auch die sogenannten Lichtduschen nutzen hohe Dosen des aktivierenden Blaulichts. Es gibt sogar led-basierte, taschenbuchgroße Geräte. Sie verpassen einen Energiekick wie der freie blaue Himmel und lassen sich auch im Büro aufstellen oder ins Flugzeug mitnehmen. Sie „korrigieren“ den jahreszeitlich bedingten infradianen Rhythmus: Wegen der ständigen Unterbelichtung im Winter schüttet die Zirbeldrüse nämlich fast ungebremst das Schlafhormon Melatonin aus, unser Körper schaltet einen Gang herunter. Immerhin fünf bis 20 Prozent der
1 http://pflegekongress.at/pk13_pdf/;
Vgl. Jeffrey M. Walch, BSA, Bruce S. Rabin, MD, PhD, Richard Day, PhD, Jessica N. Williams, BS, Krissy Choi, BS and James D. Kang, MD (2005): The Effect of Sunlight on Postoperative Analgesic Medication Use: A Prospective Study of Patients Undergoing Spinal Surgery, In: Psychosomatic Medicine 67:156–163
2 Viele Studien zeigen, Licht verringert die Wahrscheinlichkeit in ein Delir zu fallen: Vgl. Wilson (1972): Windows reduce likability of Delirium http://www.designandhealth.com/uploaded/documents; Balan (2001): Delir appears more often in the winter months
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15374025; Taguchi (2007): Bright Light Therapy reduces post-operational Delir and increases pace of „mobilization“
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17692522; Van Rompaey (2009a): Missing DayLight is a risk factor for delir (times 2,39) http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19457226
Martha Salaquarda, MA
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